SYNTOPIA, Globale Produktionszusammenhänge
Gold, Palme und Betelnuss – Gespenster globaler Lieferketten

Kunst und Gespräch

Die Produkte, die wir täglich nutzen, ob in der Küche, im Bad oder im Büro, haben ihre eigene Herkunft und ihre Geschichten. In Zeiten der Globalisierung werden für ihre Produktion Materialien und Arbeitskräfte über die Grenze von Ländern und Kontinenten gebracht, die Erdoberfläche wird weitreichend verändert. Beispielsweise rekrutierten die britischen Kolonialherren im 19. Jahrhundert massenhaft chinesische und indische Kontraktarbeiter*innen (Kuli) nach British Malaya (das heutige Malaysia), um Rohstoffhandel zu betreiben. Die hierfür errichtete rassifizierte Arbeitsaufteilung zwischen den Ethnien durch die Kolonialverwaltung führte zu gewaltsamen Konflikten, die bis heute nicht gelöst sind.

Was, wenn die Dinge, die wir besitzen, zum Leben erweckt würden? Würden wir in der Stille der Nacht ihre Klagelieder hören? Das Flüstern des Heimwehs? Schreie der Wut? Im künstlerischen Briefwechsel zwischen Sow-Yee Au, Yow-Ruu Chen und Cynthia Wijono entsteht eine performative Installation, deren Hauptfiguren uns in ihre Welt einladen– Gold, Palme und Betelnuss. Als Boten von der anderen Seite des Handelsgeflechtes erzählen sie uns, warum wir mit den unheimlich gleichförmigen Plantagen, den monströsen Arbeiterkolonien und den gespenstischen Minen Südostasiens mehr zu tun haben, als uns lieb ist.

Welche Beziehungen und Verantwortungen bringen die Güter uns auf ihrer Odyssee mit? Welche historischen, politischen und ökologischen Prozesse wurden durch den Rohstoffhandel in Gang gesetzt? Im Gespräch mit der Südostasienwissenschaftlerin Kristina Großmann befassen wir uns, ausgehend von der Gerechtigkeitsfrage, mit den Interessenkonflikten und Machtverhältnissen hinter den globalen Lieferketten.

Für SYNTOPIA setzen Sow-Yee Au und Jow-Ruu Chen sich mit einer der am meisten angebauten Nutzpflanzenarten in Südostasien auseinander: die Familie der Palmengewächse. Während die Früchte der Betelnusspalme in der Arbeiter*innenklasse trotz ihrer krebserregenden Wirkung als Rausch- und Suchtmittel beliebt sind, ist Palmöl ein stark nachgefragter Grundstoff für die industrielle Herstellung von Nahrungsmitteln und chemischen Produkten. Ursprünglich aus Westafrika, wurde die Ölpalme von den Briten, Franzosen und Niederländern im Zuge der Kolonialisierung nach Südostasien gebracht und dort massenweise angebaut. Die Expansion der Palmölplantagen hat massive Abholzung und Brandrodung von Regenwäldern verursacht, welche nicht nur die Artenvielfalt, sondern auch die Existenz indigener Bevölkerungen bedrohen. Sow-Yee Au und Yow-Ruu Chen transformieren den gesamten Theaterraum in ein Polyorama Panoptique (Guckkasten mit Wechselbildern) und beschwören den Alptraum der Plantagenökonomie durch fragmentarische Bildsequenzen herauf.

Cynthia Wijono widmet sich nach ausgiebiger Recherche zur Kolonialgeschichte Indonesiens dem Thema der Grasberg-Mine, dem größten Goldbergwerk und zugleich der drittgrößten Kupfermine der Welt. Sie liegt auf Westpapua, ursprünglich eine der weltweit artenreichsten Gegenden und Heimat der melanesischen Bevölkerung. Die vormalige Kolonie Niederländisch-Neuguinea wurde 1969 nach einer manipulierten Wahl und mit Unterstützung von UNO und USA von der Republik Indonesien übernommen.

Seit dem Jahr 1973 wird die Grasberg-Mine von der amerikanischen Firma Freeport-McMoRan betrieben, die sich weder an amerikanische noch an indonesische Umweltgesetze hält und giftige Aufbereitungsrückstände direkt in die Flüsse und Seen entsorgt.

Wie können die Auswirkungen der Grasberg-Produktion auf die Umwelt und das Leben der lokalen Einwohner*innen künstlerisch dargestellt werden, wenn wissenschaftliche Untersuchungen aus politischen Gründen erschwert bzw. unterbunden werden? Die Lücken der Forschung füllt Wijono in ihrer Kunst mithilfe der Phantasie. Mit Zeichnungen auf überlagerten Transparentpapieren sucht Wijono Möglichkeiten, die Mutationen von endemischen Tieren und Pflanzen im Zusammenspiel mit Licht in Erscheinung treten zu lassen. Gebirgs-Skulpturen entwickeln ein Eigenleben, durchdringen den Bühnenraum und verwandeln ihn in ein verfremdetes und veränderbares Landschaftsbild.

Tor 4 – BASF fördert Kunst Wie geht das neue Wir? Damit setzen sich 11 Projekte aus den Bereichen Musik, Tanz und Literatur bis hin zur bildenden Kunst auseinander. Sie sind Teil des Kulturförderprogramms Tor 4, mit dem BASF die Kulturorte der Metropolregion Rhein-Neckar als Orte des Dialogs zwischen verschiedenen Lebenswelten stärken möchte. Auch BASF ist Partner dieses Dialogs: Das Unternehmen schreibt jährlich eine gesellschaftlich relevante Fragestellung aus, zu der Institutionen Kunstprojekte einbringen können. Weitere Informationen unter
www.basf.de/tor4

Performative Installation
Sow-Yee Au, Jow-Ruu Chen und Cynthia Wijono

Gespräch mit
Sow-Yee Au, Jow-Ruu Chen und Cynthia Wijono

Am 25. März mit
Kristina Großmann (Professorin für Südostasienwissenschaften an der Universität Bonn)

Moderation
Dandan Liu

Übersetzung
Jessica Jiaxun Mi

Technische Betreuung
Tom Steyer

Kuration und Dramaturgie
Dandan Liu

Assistenz
Jana Nerz


Termine
Samstag, 25. März 20232, 19 Uhr und Sonntag, 26. März 2023, 18 Uhr


Fotos
Lys Y. Seng